Deutsche Diamir-Expedition 1962

Grußkarte 1962

Bild: Offizielle Expeditions-Grußkarte mit den Unterschriften aller Teilnehmer.

Die Teilnehmer:
Karl Maria Herrligkoffer (Leiter), Michl Anderl, Anderl Mannhardt, Toni Kinshofer, Siegi Löw, Manfred Sturm, Hubert Schmidbauer und Rudl Marek. Sieglinde Ulbrich begleitet das Team als med.-tech. Assistentin.

Die Expedition:

Die Mannschaft bricht am 29. April in München auf und gelangt über Genua, Rawalpindi und Gilgit zum Berg, während das Wetter meist schlecht ist. Am 28. Mai wird das Hauptlager errichtet.

Trotz des schlechten Wetters und permanenter Schneefälle könne Anfang Juni die Lager I und II errichtet werden. Erst am 17. Juni kann dann schließlich das Lager III am gleichen Platz wie im Vorjahr (6600 m) errichtet werden. Der Aufstieg ist mühsam durch zum Teil hüfttiefen Pulverschnee. Kinshofer und Löw übernachten im Lager III, während Anderl, Sturm und Mannhardt gleich wieder zu Lager II absteigen. Während die beiden an den beiden Folgetagen den weiteren Aufstieg präparieren, steigen Anderl, Sturm und Mannhardt wieder zum Lager III auf, um dort ein weiteres Zelt aufzubauen. Das Wetter ist inzwischen gut.

Im Gegensatz zum letzten Jahr will man nun möglichst unmittelbar zur Bazhin-Mulde gelangen, zumal kein Träger bis Lager IV tragen will – die Rucksäcke sind angesichts der Höhe schwer. Bei guten Bedingungen erreichen Kinshofer, Mannhardt , Sturm, Löw und Sturm mittags den Grat, allerdings hat Löw wegen angefrorenen Zehen Probleme und Schmerzen, will aber durchhalten. Von hier queren sie in die Bazhin-Mulde – das Gelände wird flacher und die eigentliche Steilwand liegt hinter ihnen. Nachmittags kann Lager IV (7200 m) in flachem Terrain aufgebaut werden.

Am nächsten Morgen ist wegen des eingebrochenen Schlechtwetters kein weiterer Aufstieg möglich. Nach sehr wechselhaftem Wetter sind die Bergsteiger gezwungen, am nächsten Tag die Entscheidung zu suchen: Gipfel oder Abstieg!

In rot eingezeichnet: die Kinshofer-Route in der Diamir-Flanke.
Die roten Punkte zeigen die ungefähre Lage der Lager II, III und IV. (c) Ralf Dujmovits.

Noch in der kommenden Nacht bricht die Mannschaft auf, nur Michl Anderl bleibt zurück, da er hier seine Leistungsgrenze erreicht hat. Löw spurt in teils tiefen, teils windgepressten Schnee. Auf etwa 7500 m, gegen 4 Uhr, muss Manfred Sturm den Aufstieg wegen Erschöpfung und Höhenkrankheit abbrechen und erreicht gegen 6 Uhr am Morgen wieder Lager IV. Weiter oben spurt inzwischen wieder Toni Kinshofer.

Nach langen acht Stunden erreicht das übrig gebliebene Trio um 9 Uhr die Bazhin-Scharte und trifft damit auf Buhls Weg von 1953. 600 Höhenmeter sind ab Lager IV überwunden.

Nach einer halbstündigen Rast nehmen die Drei den Gipfelaufstieg in Angriff, wohl wissend, dass es am gleichen Tag keine Rückkehr ins Lager geben kann. Die technischen Schwierigkeiten bewegen sich meist im II.-III. Grad, teilweise aber auch im V. Grad. Einen Absturz Löws durch eine Schneebrücke kann Kinshofer halten, allerdings geht Löws Eispickel verloren. Bei schlechten Bedingungen braucht das Trio sieben Stunden für den Grat bis zur in 8070 m Höhe liegenden Nordschulter (Buhl brauchte als Alleingänger vier Stunden), welche sie gegen 16 Uhr erreichen.

Gegen 17 Uhr dieses 22. Juni haben Kinshofer, Löw und Mannhardt endlich den Gipfel erreicht!!!

Nach einigen Gipfelfotos beginnen sie den Abstieg, denn sie aber bald abbrechen müssen: sie entscheiden sich für ein Freibiwak, alles andere wäre zu riskant. Die Nacht in 8080 m Höhe wird schlimm: Löw leidet zunehmend an seinen Erfrierungen und auch Kinshofer und Mannhardt, die anfangs noch ihre kalten Zehen spüren, leiden unter Erfrierungserscheinungen.

Die Mannschaft, wieder zurück in Gilgit. (c) Manfred Sturm. Hinten: von links Hubert Schmidbauer, Toni Kinshofer, Anderl Mannhardt, Rudl Marek. Vorne von links Michl Anderl, Karl-Maria Herrligkoffer, Manfred Sturm.

Um 6 Uhr des 23. Juni beginnen sie den Abstieg und sind um 7 Uhr wieder an der Nordschulter. Beim weiteren Weg Richtung Bazhin-Mulde findet das Team einen leicht einfacheren Weg und kann sich losseilen. Bei Löw macht sich die Erschöpfung am meisten bemerkbar. Nach vollen sieben Stunde sind sie wieder in der Nähe der Bazhin-Mulde – nicht schneller als beim Aufstieg am Vortag!

In der Nähe der Bazhin-Mulde ruft plötzlich Siegi Löw um Hilfe. Kinshofer steigt wieder hoch, doch bevor er Löw erreicht, stürzt dieser an ihm vorbei in die Tiefe. Bewusstlos bleibt er liegen. Kinshofer will beim Verunglückten bleiben, während Mannhardt in Lager III Hilfe holen will. Nach einer Stunde bei Löw und zwei Pervitin-Tabletten, um die letzten Kräfte zu mobilisieren, steigt Mannhardt ab. Löws Füße steckt er zum Schutz vor der Kälte in den Rucksack, in welchem die Kameras mit den Gipfelfotos stecken.

Auf direktem Weg steigt Mannhardt zum Lager III ab, welches er um 18 Uhr erreicht und die schlimme Nachricht vom Absturz Löws per Funkgerät weitergeben kann. Zwischenzeitlich stirbt Löw in den Armen Kinshofers, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Nun steigt auch Kinshofer ab, ohne an die Fotoapparate zu denken, sie bleiben bei Löw. Schwer halluzinierend wankt er die ganze Nacht über dem rettenden Lager entgegen und wird erst um 9 Uhr am kommenden Morgen von aufsteigenden Helfern etwa eine Stunde über Lager III empfangen. 56 Stunden hat Kinshofer dieser lebensfeindlichen Welt getrotzt!!!

Aufgrund der schweren Erfrierungen steigen Mannhardt und Kisnhofer noch am selben Tag zu Lager II ab, wo sie Hubert Schmidbauer empfängt, versorgt und dann am Folgetag weiter zu Lager I schickt, wo Rudl Marek wartet. Über das Lager I erreichen sie am selben Tag das Hauptlager. Es ist der 25. Juni. Den Abmarsch talwärts schaffen Kinshofer und Mannhradt nicht mehr selbst, sie müssen von Bergbauern getragen werden – drei Tage lang, dann geht es per Jeep weiter bis Gilgit. Tags darauf sitzt die Mannschaft bereits im Flugzeug.

Eine Beschreibung der Kinshofer-Route gibt es auf www.nangaparbat2008.de

Danach…

Anderl Mannhardt müssen die Zehen, Teile des Vorderfußes und der Ferse amputiert werden Doch Mannhardt bleibt dem Bergsteigen verbunden.
Auch Toni Kinshofer muss Amputationen über sich ergehen lassen, geht aber dennoch mit Herrligkoffer bereits 1963 wieder an den Nanga Parbat, bevor er 1964 tödlich in einer Klettergarten im Schwarzwald abstürzt.

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