Gedanken zur Entwicklung des Himalaya-Bergsteigens:

die Erstbesteigung

Nach einem ersten sehr frühen Versuch von Mummery 1895 an der Diamirseite des Nanga Parbat sind erst in den zwanziger Jahren die berühmten Versuche der Engländer am Everest interessant. Und trotz ihrer herausragenden Leistungen - man kam bis knapp auf 8600m (ohne Sauerstoffhilfe!) dauerte es über zwanzig Jahre, bis 1950 mit der Erstbesteigung der Annapurna die Erstbesteigung eines Achttausenders überhaupt gelang! In den fünfziger und sechziger Jahren dann wurden alle Achttausender bestiegen - zumeist auf dem offenbar leichtesten Weg. Es galt, die entsprechende Landesflagge auf dem Gipfel zu setzen, egal, mit welchem Stil und mit welchen Mitteln. So wurden die Gipfel meist mit erheblicher Unterstützung von heimischen Trägern, einer fest eingerichteten Lagerkette, Fixseilen an den kritischen Punkten der Route und mit Hilfe von Flaschensauerstoff bestiegen - der klassische Expeditionstil, der eine lange Zeit der Stil schlechthin sein sollte: nicht gerade schnell, aber sicher und bei Schlechtwetter Rückzugsmöglichkeiten bietend. Die große Ausnahme war hier die Erstbesteigung des Broad Peak, der mit einer kleinen, selbstständig arbeitenden Mannschaft erstbestiegen wurde.

schwierigere Routen

Nach der Erstbesteigung der Gipfel folgten in der Erschließung der Gipfel die gleichen Schritte wie beim klassischen Alpinismus in den europäischen Alpen: die Besteigung der Achttausender über schwierigere Routen und Überschreitungen der Berge - herausragende Glanzstücke dieser Epoche waren sicher die erste Durchsteigung der Rupalflanke am Nanga Parbat durch die Brüder Günther und Reinhold Messner (am darauffolgenden Tag auch die Seilschaft Kuen / Scholz) 1970, die Durchsteigung der Annapurna-Südwand sowie der Südwestwand des Mount Everest 1975 durch jeweils britische Mannschaften unter Chris Bonington.

der Besteigungsstil

Zeitgleich zu Boningtons Expedition am Everest 1975 eröffnen Reinhold Messner und Peter Habeler einen Stil an den Himalaya-Riesen, an den sich bislang fast niemand getraut hatte: der Alpinstil. Messner und Habeler verzichten bei ihrer kühnen Besteigung des Hidden Peak 1975 auf alles, was den klassischen Expeditionsstil ausmacht: Lagerkette, Träger oberhalb des Basislagers, Fixseile, Flaschensauerstoff. Und sie gehen eine neue, schwierige Route auf den Berg. Eine Glanztat des Himalayabergsteigens. Dieser Stil ist schnell und damit in anderer Hinsicht sicher, deutlich billiger als die Riesenexpeditionen anderer Länder und letztlich schlichtweg "sauberer" - keine liegen gebliebenen Sauerstoffflaschen oder Zelte, keine morsch gewordenen Fixseile.
Drei Jahre später gelingt der Spitzenseilschaft Messner/Habeler das, was die meisten für unmöglich hielten: die Besteigung des Everest ohne Flaschensauerstoff. Tabu um Tabu wird von Messner gesprengt. Im selben Jahr gelingt im am Nanga Parbat die erste Alleinbesteigung eines Achttausenders. Alleine auf einen solchen Giganten, auch das war von vielen für unmöglich gehalten worden. Wie schon zuvor eine Achttausender-Besteigung zu zweit. 1980 dann der erste absolute Alleingang auf den Mount Everest, ohne Flaschensauerstoff, ebenfalls durch Messner. Und als wenn das nicht genug wäre, gelingt ihm gemeinsam mit Hans Kammerlander 1984 die erste Doppelüberschreitung zweier Achttausender, an den Gasherbrum-Achttausendern.

Messner eröffnete völlig neue Dimensionen an den Achttausendern, schaffte eine Plattform für folgende Pionierleistungen. Sein Stil und seine Taten an den höchsten Bergen der Welt sind die logische Fortsetzung dessen, was andere Jahrzehnte zuvor begonnen haben. Und Messner war dann auch 1986 derjenige, der als erster alle vierzehn Achttausender bestiegen hat. Insgesamt bestieg er achtzehn Mal einen Achttausender! Nach ihm trugen sich natürlich noch andere Namen in die ehrenvolle Liste derer ein, die alle Achttausender bestiegen haben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: hier sind jene Namen!

die extremen Wände

Das vorerst letzte Kapitel dieser Entwicklung scheint die Durchsteigung der schwierigsten und vielleicht vor Jahren noch als "unmöglich" bezeichneten Wände an den Achttausendern zu sein. Tomo Cesen, dem die Erstdurchsteigung der Lhotse-Südwand 1990 gelang (im Alleingang) und Tomaz Humar, der die immens schwierige und gefährliche Südwand am Dhaulagiri 1999 solo durchstieg, gehören hier zur "Speerspitze" der Akteure. Obschon Reinhold Messner bereits 1970 mit der ersten Durchsteigung der Rupalwand am Nanga Parbat bereits eine der bedeutensten Achttausenderwände gelang.

wie geht es weiter?

Was ist die Fortsetzung dieser Entwicklungen? Sicher gibt es noch viele ungelöste Probleme an den höchsten Bergen der Welt. Sprach man in der Vergangenheit oft von "einem der letzten ungelösten Probleme" verschieben sich die Ziele mit fortschreitender Perfektion an den großen Bergen. Die Ziele wachsen! Ein großes Ziel ist sicher die Überschreitung des "Hufeisens" Everest - Lhotse - Nuptse: eine lange Route an bzw. über der 8000 Meter-Grenze. Im Herbst 2003 gelang dem Russen Valery Babanov eine bedeutende Erstbesteigung, nämlich jene des Nuptse-East, der mit fast 8000 Metern bis dahin höchste noch unerstiegene Berg. Aber auch an K2, Makalu und anderen Achttausendern warten lohnende und schwierige Aufgaben. Man wird sehen...

zurück!

[Datenschutz]